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„VIA DELL‘ERBA“ UND WIE ALLES BEGANN

Als wäre es gestern gewesen: in meiner Nase der betörende Duft von frischen Kräutern. In der beschaulichen Küche kocht Zia Maria die rubinrote Salsa al Pomodoro aus sonnengereiften apulischen Tomaten. Das schimmernde Abendlicht bricht sich in den aufgewirbelten Mehlstaub. Er fällt auf die frischen, hausgemachten Orecchiette, die Zia Maria mit ihren zarten Fingern sorgfältig formt. Zio Amedeo liest die Zeitung und meckert über das Zeitgeschehen, gönnt sich ein Glas Wein, Antipasti, Peperoni al Tonno, Funghi Cardoncelli und Paté di Pomodori. Er versichert mir, dass sich das Warten auf diesen kulinarischen Genuss lohnen wird.

Die „Via dell‘Erba“ ist mein Lieblingsplatz in der apulischen Stadt Monopoli. Eine Strasse mit maritimer Atmosphäre und dem südländischen Charme, im Herzen der mittelalterlichen Altstadt, geprägt von architektonischen Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen, wo ich einen Teil meiner Kindheit mit der liebevollen Zia Maria und dem philosophischen Zio Amedeo verbracht habe. Wo die Fischer mit ihrem glitzernden Fang zurückkehrten und die bunten Marktstände mit Köstlichkeiten aus der Region meinen Augen zum Leuchten brachten.

Zia Maria drückt mir eine Tüte Hühnerfüsse in die Hand und ich renne Zio Amadeo hinterher. Seine schlaksige Gestalt, mit dem Bootsmotor auf der Schulter, kommt zügig voran. Seine kurzen Hosen waren zu weit, seine Beine knochig und krumm, sein übergrosses Hemd flatterte wie ein Segel in der Meeresbrise, verleiht der Szene eine charmante Authentizität. Diese malerische Darstellung hat einen ganz besonderen Charme und bringt mich zum Lächeln, wenn ich an diese unvergesslichen Momente denke. Schon damals wusste ich, dass die salzige Seeluft auf dem Boot nach Abenteuern roch. Solche Erinnerungen tragen oft eine besondere Magie in sich und bleiben für immer im Herzen verankert.

Während der Fahrt in der „Nussschale“, die mir wie eine Ewigkeit erschien, weil der schwache Motor gegen die Wellen ankämpfen musste, bereite ich die Hühnerbeine als Köder am Nylonfaden vor. Als wir den Angelplatz erreichten, wurde der knatternde Motor abgestellt, am Horizont die untergehende Sonne, das Plätschern der Wellen und dann das Nichts, die Stille. Gleichzeitig lasse ich meine Seele baumeln und geniesse den Blick in die Schönheit der unendlichen Meereslandschaft, eine Kulisse der Ruhe und Erhabenheit. Mit langsamen Bewegungen locken wir mit den Hühnerbeinen die Pulpos an. Jetzt müssen sie nur noch vorsichtig hochgezogen werden. Diese traditionelle Fischereikunst wird im Dialekt von Monopoli „anzellé“ genannt.

Zu Hause angekommen, bereitet Zia Maria das Abendessen mit vielen frischen Zutaten zu. Der fangfrische Tintenfisch wird schonend gegart, danach mit den Teigwaren, Fusilli aus „Senatore Cappelli“-Urkorn vermischt und mit nativem Olivenöl extra aus jahrhundertalten Olivenbäume verfeinert. Dieses Meisterwerk lässt sich nicht beschreiben, pures „Soulfood“.

Immer wenn ich nach Monopoli fahre, verbringe ich viel Zeit in der „Via Dell’Erba“. Dort, wo alles begann, werden grosse Gefühle und eine Zeitreise durch die Sinne in mir geweckt. Ein Lächeln erstrahlt auf meinem Gesicht und mein Magen knurrt wie in meiner Kindheit. Ich kehrte zu meinen Wurzeln zurück, und dadurch nahm die Leidenschaft Gestalt an.